Kunstmuseum_Bern

Kunstmuseum Bern / Switzerland

Heinrich Anton Müller
„Le Père Darou…“, 1917, 81,5 x 133cm

 

By Courtesy of Kunstmuseum Bern

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DEUTSCH/ENGLISH

Heinrich Anton Müller zählt zu den Künstlern der sogenannten Art Brut, also derjenigen Kunst, deren Werke von Personen ohne künstlerische Ausbildung und ohne kommerzielle Absichten geschaffen wurden. Müller wurde 1869 in Frankreich geboren und lebte mit seiner Familie als Landarbeiter und Erfinder mechanischer Geräte nahe von Vevey in der Westschweiz. 1906 wurde er von der Armenbehörde seiner bernischen Heimatgemeinde Boltigen in die psychiatrische Klinik Münsingen bei Bern eingewiesen. Dort blieb er als Patient ohne Diagnose bis zu seinem Tod 1930 interniert. Er fertigte aus Abfällen fahrbare Gestelle und Maschinen an und schuf ein zeichnerisches Werk, welches metamorphische Darstellungen von Gesichtern, menschlichen Figuren, Tieren und Pflanzen beinhaltet. Die abgebildete Zeichnung hat er um 1917 mit Kreide und Tusche über Bleistift gemacht. Der Malgrund besteht aus zusammengenähten Kartonabfällen. Innerhalb der Umrisse der Person, des Fahrrads und des Schweines steht folgender Text geschrieben: „Le Père Darou qui mène son cochon à la Foire. Grand. Ciclamen. Perpette. Otomobile. Lière. Elastique. Mon cochon s’appelle Rafi.“ So ungewöhnlich wie die zeichnerische Darstellung ist auch Müllers Sprache.

Im gleichen Jahr findet sich in der Krankengeschichte von Heinrich Anton Müller folgender Eintrag: “Laboriert beständig an der Herstellung eines Perpetuum mobile herum und ist etwas unappetitlich bei der Herstellung seiner Apparate durch die Verwendung seiner Sekrete als Klebe-Befeuchtungsmittel. Daneben malt er, seitdem er von zu Hause einen Malkasten erhalten hat, alle möglichen mehr oder weniger symbolischen Bilder, mit denen er dann die Zimmerwände tapeziert. Der Pflege macht er in keiner Hinsicht Schwierigkeiten und ist nur ausnahmsweise etwas gereizt. Aus Briefen, die er gelegentlich nach Hause schreibt, geht hervor, dass er sich für Gott hält; so unterzeichnet er z.B. als „l’Eternelle“ und redet seine Frau als „Reine Dieu“ an.“

Die Maschinen von Heinrich Anton Müller sind heute nur noch aus Photos bekannt, von den insgesamt 39 Arbeiten auf Papier wurden einige bereits kurz nach seinem Tod öffentlich gezeigt. 1949 widmete ihm der französische Maler Jean Dubuffet in Paris eine erste Einzelausstellung. Seitdem war er in verschiedenen Ausstellungen in Kassel (an der documenta 5), Hong Kong, Wien und Düsseldorf New York, Philadelphia, Lausanne und Bern vertreten. Das Kunstmuseum Bern besitzt einen grossen Teil seiner Werke, die jedoch aus konservatorischen Gründen nur selten zu sehen sind.

Literatur: Künstlerlexikon des Schweizerischen Institutes für Kunstwissenschaft (SIK ISEA) und „Heinrich Anton Müller, Katalog der Maschinen, Zeichnungen und Schriften“, herausgegeben von Roman Kurzmeyer und dem Kunstmuseum Bern, 1994

Text: Beat Schüpbach


Heinrich Anton Müller counts as an outsider artist, meaning one who creates art without any artistic education and without commercial interests. Müller was born in 1869 in France, and he lived with his family as a farm worker and the inventor of mechanical machines near Vevey in Switzerland. In 1906 he was admitted to a psychiatric hospital in Münsingen near Bern by his hometown’s welfare authorities. He spent the rest of his life there as an undiagnosed patient. He died in 1930.
He crafted vehicles and machines from garbage and created metaphorical illustrations of faces, human figures, animals and plants. The drawing above was created around 1917 with ink and chalk over pencil on bits of leftover cardboard sewn together. Within the outlines of the figure, the bicycle and the pig the following text can be read: „Le Père Darou qui mène son cochon à la Foire. Grand. Ciclamen. Perpette. Otomobile. Lière. Elastique. Mon cochon s’appelle Rafi.“ Müller’s language is as extraordinary as the graphic illustration itself.
The very same year Müller’s medical records read: “Labouring persistently to create a Perpetuum Mobile, behaving somewhat revoltingly by using his own bodily fluids as a moisturising agent. Furthermore he has been painting ever since he received a paint box from home. He paints all manner of more or less symbolical images, with which he then covers the walls. He doesn’t cause any sort of trouble for the staff and is only rarely irritable. From the letters he occasionally sends to his family we have learned that he believes himself to be God; he signs, i.e., as “l’Eternelle” (“the Eternal) and addresses his wife as “Reine Dieu” (“God Queen”).
The machines of Heinrich Anton Müller are only known from photographs. Of his 39 works on paper some were exhibited shortly after his death. In 1949 French painter Jean Dubuffet dedicated a single exhibition to him in Paris. Since then his works have been presented in several exhibitions in Kassel (at documenta 5), Hong Kong, Vienna and Düsseldorf, New York, Philadelphia, Lausanne and Bern. The Museum of Art in Bern owns a large portion of his work, which can however only be presented occasionally due to conservational reasons.

Literature: Künstlerlexikon des Schweizerischen Institutes für Kunstwissenschaft (SIK ISEA) und „Heinrich Anton Müller, Katalog der Maschinen, Zeichnungen und Schriften“, herausgegeben von Roman Kurzmeyer und dem Kunstmuseum Bern, 1994

Text: Beat Schüpbach | Translated by Kathrin Astrid Behrends